Leseprobe:

Wildes Küstenland

Die fast märchenhaft anmutende Geschichte der Ostsee begann mit der Weichselkaltzeit vor 115.000 Jahren als das Klima ständig kälter wurde und im Norden ein gigantischer Panzer von Eis zu wachsen begann. Etwa achtzig Meter Schneehöhe sind erforderlich, um zusammengesackt, angeschmolzen, verdichtet und gepresst einen Meter Gletschereis entstehen zu lassen.

Unvorstellbar lange liegt diese Zeit zurück, und ebenso kann man nur schwer erahnen, dass im heutigen Küstenbereich von Mecklenburg - Vorpommern grönländische Klimaverhältnisse herrschten. Im frühen Weichselglazial schoben sich die Gletscher knirschend, krachend, berstend, aber vor allen Dingen wachsend, heran. Jährlich wanderten sie um ein bis zwei Kilometer vom norwegischen Grundgebirge herunter, vereinigten sich mit dem nordischen Eisstrom, um ziemlich gradlinig nach Süden zu vorzustoßen.

Ihre Bahn war das schon aus älteren geologischen Zeiten vorgeformten Becken. In ihm drangen sie bis in den südlichen Ostseeraum vor. Sie führten Verwitterterungsschutt des alten kaledonischen Faltengebirges, vom staubfein zerkleinerten Ton bis zu riesigen Findlingen mit. Den ganzen Meeresboden schoben sie ab und alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Eingeschlossen im Eis kam es bis in die Landschaft Mitteleuropas.

Die Insel Rügen war bereits aus voran gegangenen geologischen Epochen zu diesem Zeitpunkt in die Höhe gedrückt worden und lag nun wie eine geballte Faust dem herannahenden Eis im Wege. Hier mussten sich die wandernden weißen Berge in den Oder - und Beltseegletscherstrom teilen, die noch über Jahrtausende weiter in das Binnenland wanderten. Schließlich bedeckte das Eis im Weichselhochglazial vor 20.000 Jahren das gesamte Binnenland zwischen der Mecklenburger Bucht und dem heutige Nordosten Brandenburgs.

 

 

ISBN: 978-3-9391-72-72-7

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